Historisches

 25 Jahr
     Feier


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Schnittstel-
lenarbeit in
den vergan-
genen Jahren
  30 Jahre Tumorzentrum, Krebsberatungsstelle und Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen im Gesundheitswesen Aachen e.V.

Jährlich erkranken in Deutschland derzeit etwa 340 000 Menschen neu an Krebs. Die Zahl der Krebskranken wird nach Einschätzung von Experten künftig pro Jahr um 6000 steigen. Krebs wirksam zu bekämpfen heißt, dass alle auf diesem Feld tätigen Einrichtungen und Fachrichtungen an einer Gesamtkonzeption und an Entscheidungen beteiligt sind.

Das vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA) im Jahr 1979 eingerichtete Förderprogramm zur „Verbesserung der Versorgung von Tumorpatienten“ ließ in der damaligen Bundesrepublik Tumorzentren an Universitätskliniken und Krankenhäusern entstehen. Eines dieser Zentren war das Tumorzentrum (TUZ) Aachen e.V.

Bis zum Ende der 70iger Jahre war die interdisziplinäre Zusammenarbeit - Voraussetzung für eine moderne Krebstherapie - noch nicht weit verbreitet. Es gab hier wenig Fortschritte, insbesondere bei der sehr eingreifenden Krebsbehandlung.

Nach Auslaufen der 10jährigen Förderphase für die Tumorzentren wurden in NRW (und einigen anderen Bundesländern, z.B. Niedersachsen, Bremen) daher mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Krebshilfe ein flächendeckendes System onkologischer Leitstellen aufgebaut, das die Versorgung von krebskranken Menschen qualitativ verbessern sollte. So wurde ein gelungenes Modell für die Verzahnung von ambulantem und stationärem Sektor aus der Förderung mit Pilotcharakter in die Regelfinanzierung übernommen. Insgesamt 15 0nkologische Schwerpunkte und Tumorzentren arbeiteten seither in NRW an der Verbesserung der flächendeckenden Versorgung von Tumorpatienten.

Das Tumorzentrum Aachen e.V. wurde getragen von allen Krankenhäusern der Region, der kassenärztlichen Vereinigung und der Universität Aachen. Es wurde bis Mitte 1999 durch die gesetzliche Krankenversicherung finanziert. Seit Juli 1999 finanzieren die Mitgliedskrankenhäuser und die Uniklinik der RWTH Aachen das TUZ über Mitgliedsbeiträge direkt. Ziele sind eine systematische Auswertung der erhobenen Daten für eine Evaluation der Behandlungsqualität in der 0nkologie und der Aufbau eines bevölkerungsbezogenen Krebsregisters. Denn für die Bewertung der medizinischen Versorgungsqualität, u.a. von Präventions-Programmen, ist eine flächendeckende Tumorregistrierung unerlässlich - wie die Erfolge bevölkerungsbezogener Tumorregister in anderen Ländern eindrucksvoll belegen.

Eine zentrale Aufgabe der Tumorzentren und 0nkologischen Schwerpunkte ist die Qualitätssicherung in Diagnostik, Therapie und Nachsorge mittels Analyse der registrierten Daten und ihrer gezielten Weitergabe an alle Beteiligten im Gesundheitswesen. Solche Qualitätssicherungskonzepte ermöglichen die regionale Bewertung der medizinischen Versorgung im Bereich der 0nkologie und zeigen die Punkte auf, an denen Verbesserungen nötig sind. Die Dokumentation der Tumorzentren und 0nkologischen Schwerpunkte konzentriert sich auf die möglichst exakte Beschreibung von Tumordiagnose (Datum, Lokalisation, Befundklassifikation), Behandlung und ‘Follow-up’, und dass Veränderungen des Tumorstatus sowie der weitere Verlauf der Erkrankung exakt erfasst werden.

Ebenfalls im Jahr 1979 initiierte der PARITÄTISCHE Wohlfahrtsverband (DPWV) bundesweit 20 Krebsberatungs- und Kontaktstellen Selbsthilfe nach Krebs. Der DPWV war - und ist - zudem Dachverband für die meisten Selbsthilfezusammenschlüsse in der Krebsnachsorge. Zielstellung war damals, durch das hier festgelegte Zusammenwirken von erlebter (z.B. Selbsthilfegruppen) und erlernter Kompetenz (Professionelle) die Situation an Krebs erkrankter Menschen zu verbessern.

Seit dem 01.01.2004 ist die Krebsberatungsstelle Aachen ein gemeinnütziger Verein unter der Trägerschaft der Selbsthilfegruppen; neuer Name: Krebsberatungsstelle Aachen und Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen im Gesundheitswesen Aachen e. V.

Eine Regelfinanzierung konnte für die Aachener Krebsberatungsstelle durch die Städte Region Aachen erreicht werden.

Da die Leistungen der Krebsberatungstelle (KBS) auch direkten Einfluß auf die Lebensqualität und Zufriedenheit der Betroffenen haben, muss die Qualität der Leistungen gesichert und gemäß der sich ändernden gesellschaftlichen Anforderungen ständig überprüft und verbessert werden. Seit den 80er Jahren besteht in der KBS in Aachen ein Qualitätssicherungsssystem. 1997 wurde ein Qualitätsmanagementsystem gemäß DIN EN ISO 9001 eingeführt und zertifiziert. In welchem Umfang und mit welcher Qualität eine kleine Einrichtung wie die Krebsberatungsstelle dem Anspruch gerecht werden kann, hochwertige und gesicherte Informationen weiterzugeben (gesundheitlicher Verbraucherschutz), sozialen Rückhalt zu organisieren und Lebenszufriedenheit zu fördern, ist abhängig von der Kooperation mit Partnern im Sozial- und Gesundheitswesen, mit Selbsthilfegruppen und freiwillig ehrenamtlichh geleisteter Hilfe.

Seit 1979 haben die Krebsberatungstelle Aachen, die ihr angeschlossenen Selbsthilfegruppen in der Region Aachen und das Tumorzentrum Aachen eine zukunftsweisende Konzeption entwickelt: ein regionales Verbundsystem mit Krankenhäusern, dem Öffentlichen Gesundheitsdienst, Reha-Kliniken, Krankenkassen, Ärzten und Unterstützern aus Politik, Wirtschaft und Presse.

Auflösung von sozialem Zusammenhalt und Ausschließung von bestimmten Personengruppen - z.B. krebskranker Menschen - ist ein Prozeß, der tendenziell alle immer wieder neu in Gewinner und Verlierer einteilt. Als soziale Einrichtung im Gesundheitswesen geht es in der KBS-Arbeit zum einen darum, für die von der Krebskrankheit betroffenen Menschen eine soziale Basis zu finden, mit der sie Veränderungen der Lebenssituation gewachsen bleiben können. Dazu gehören Hilfen, die Gefühle angemessen wahrnehmen, ausdrücken, kultivieren zu können und eine Dialog- und Kommunikationskultur zu pflegen, die vor allem Eigenständigkeit, Selbstverantwortlichkeit und Konfliktfähigkeit in mitmenschlicher Bezogenheit fördert. Das kann unter anderem erreicht werden durch Engagement in Selbsthilfegruppen und eine 0rientierung auf selbstverantwortete Lebensführung.

Es ist davon auszugehen, dass bestimmte Krebserkrankungen auf durch den Lebensstil beeinflußbare Ursachen (z.B. Rauchen) zurück gehen. Daher werden durch regionale Angebote (Kursangebote, Vortragsveranstaltungen, Fortbildungen, Gesundheitskonferenzen) spezifische Informationen an die breite Bevölkerung zur Gesundheitsförderung gegeben. (siehe Kursangebote  )

Mit ihren wohnortnahen Beratungsdiensten verfolgen das Tumorzentrum Aachen und die Krebsberatungsstelle gemeinsam das Ziel, die heute gültigen Standards (Evidenzbasierte Leitlinien) auf dem Gebiet der 0nkologie für Ärzte und Patienten zugänglich zu machen. Somit wird das Beste, was die Medizin auf dem Gebiet der 0nkologie ermöglichen kann, mit dem Besten, was qualitätsgeprüfte umfassende Beratung zu bieten hat, kombiniert.

Im Verbund von Tumorzentrum (TUZ), Krebsberatungsstelle, Selbsthilfegruppen und Förderkreis Tumorzentrum wird auch Einfluß auf die primäre und sekundäre Prävention genommen. Als Beispiel sei hier die Kampagne zur Erhöhung der Teilnahme an Krebsfrüherkennungsuntersuchungen und Gesundheits-Check genannt. In nur drei Quartalen konnte in der Region Aachen die Teilnahme an Krebsfrüherkennungsuntersuchungen bei Frauen um 29 %, bei Männern um fast 35 % erhöht werden. Die Beteiligung am Gesundheits-Check konnte bei Männern und Frauen um 19 % erhöht werden.

Diese Kampagne ist zugleich ein Bespiel für Möglichkeiten, die von der Krebsberatungsstelle angeboten werden, miteinander in der Gesellschaft tätig zu werden.

Vorhaben war es, gemeinsam mit dem Förderkreis Tumorzentrum, Krankenkassen, Kassenärztlicher Vereinigung und Universität durch einen Modellversuch qualitätsgesicherter Früherkennung nach europäischen Leitlinien die Brustkrebssterblichkeit in der Aachener Region in den nächsten Jahren um 30 % zu senken. Zur Bekräftigung eines entsprechenden Antrags an den Bundesssausschuß hatten die Selbsthilfegruppen 15 000 Unterschriften gesammelt. Aachen wurde nicht als Modellregion ausgewählt, jedoch wird die qualitätsgesicherte Brustkrebsfrüherkennung jetzt (2005) flächendeckend nach europäischen Leitlinien in Deutschland eingeführt.

Ein weiteres gemeinsames Projekt war z.B. die Studie zur Ermittlung der Qualität der Arzt-Patienten-Verständigung (Arzt-/Patienten-Interviews in 10 Krankenhäusern), deren Ergebnisse in den Gesprächsleitfäden für Ärzte und für Patienten umgesetzt wurden. Auf der Seite [Beratung] lassen sich die Gesprächsleitfäden  abrufen.

Im Rheinland wurde 1999 die bundesweit einmalige Struktur eines Verbundes flächendeckender Onkologischer Schwerpunkte/Tumorzentren zerschlagen - jahrzehntelang erhobene Daten wurden bereits teilweise vernichtet und die kompetente Begleitung der Nachsorge eingestellt. Die Basis für konsequente Qualitätsentwicklung in der medizinischen Versorgung krebserkrankter Menschen - wie es im Gesamtprogramm zur Krebsbekämpfung des Bundesgesundheitsministeriums vorgesehen war - war damit nicht mehr gegeben. So wurde die unabhängige medizinische Versorgungsstruktur für die Bürger/krebsbetroffenen Menschen im Rheinland ohne Not vernichtet. Für die Aachener Region konnte dies durch die Mitglieder des TUZ und die breite öffentliche Unterstützung - auch mit flankierender Hilfe der KBS und der Selbsthilfegruppen nach Krebs - verhindert werden. Für die Aachener Bürger ist daher die Verbindung von unabhängiger hochwertiger medizinischer und psychosozialer Beratung weiterhin gewährleistet.

Das wichtigste Anliegen in diesem regionalen Gesamtkonzept zur Krebsbekämpfung ist, Institutionen im Medizinsystem, im Sozialwesen, der Öffentlichkeit (Medien), Politik und Bürgerinitiativen (Selbsthilfegruppen, Förderkreis Tumorzentrum) konstruktiv zu beteiligen und wirksam werden zu lassen. Hier gehört es zur Qualitätssicherung in der Krebsbekämpfung, dass der Bürger als gleichwertiger Partner im Gesundheitswesen wahrgenommen wird.

Anstelle des traditionellen Rollenverhaltens im Medizinsystem soll das Konzept des autonomen Betroffenen gestärkt werden. Der informierte Patient erhält auch die bessere Behandlung. Die KBS trägt als Knotenpunkt zu einem verlässlichen Netzwerk bei und führt Wissen zusammen. Denn Zusammenarbeit erhält Qualität durch Gegenseitigkeit und demokratische Prinzipien: Offenheit, greifbare Resultate, Interessenausgleich, Wertschätzung“ (aus der Unternehmensphilosophie der KBS).

Richtiger Einsatz vieler gleichberechtigter Beteiligter, selbstorganisierter Mittel und Methoden bringt nicht nur mehr Erfolg, sondern hat ausserdem sogar ein besonders günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis.

 

       

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